Renitente, rauchende Kinder

Recht früh sehr neugierig auf die Laster des Lebens, hatte ich pünktlich zum Ende meines zwölften Lebensjahres, Zigaretten für mich entdeckt. Der Einstieg war heiser, holprig, von viel Husten begleitet und schmeckte scheiße, aber dank meines stark ausgeprägten Ehrgeizes in den wenig gesundheitsförderlichen Lebensdisziplinen, blieb ich eisenhart bei der Sache, übte hartnäckig und hatte es mit Anfang 13 geschafft, eine erfolgreiche Raucherin zu sein. Sicherheitshalber verschwieg ich diesen herausragenden Erfolg zuhause, in weiser Voraussicht, dass man mir dafür keinen Orden verleihen würde.

Uns so begab es sich, dass ich gerade auf meinem Balkon eine geraucht hatte, meine Mutter das Vergehen im Garten stehend roch, um resolut am Frühstückstisch die Zigaretten und eine umgehende Beendigung des Lasters, aufgrund von akuter Minderjährigkeit, zu verlangen. Ich machte mich stinksauer auf den Weg in mein Zimmer und stieg schnaubend die Treppe hoch. Was bildete die sich ein? Ich konnte machen was ich wollte, schließlich war ich schon 13! Retrospektiv betrachtet ist diese Empörung über den Entzug elementarer, rauchbarer Grundrechte einer 13-jährigen schlecht nachzuvollziehen, aber in dem Moment war ich bereit für die Revolution. Ich nahm die fast volle Schachtel aus dem Versteck und alle Zigaretten heraus, zerbröselte sie in meiner Hand und begab mich wieder nach unten. Jean D’arc de Marlboro galoppierte zum Küchentisch vor die ungerechte Mutter, die sich gerade liebevoll ein Butterbrot mit Schnittlauch garniert hatte. Vielleicht sagte oder schrie ich etwas, eine Parole, wie „Rache für meine rauchenden, minderjähren, unterdrückten Mitschwestern“, ich weiß es nicht mehr. Im großen Finale meines pubertären Befreiungskampfes klatschte ich, in vollem Ernst, wutentbrannt den prall gefüllten Tabakinhalt meiner Hand auf Mutters Frühstücksbrotkreation.

Ich bin nie geschlagen worden, aber nach einem kurzen, ihrerseits fassungslosen, meinerseits abwartenden Standbild, schlug der Blitz ein und mir wehten die Haare von ihren Schreien nach hinten, während meine Ohren bei Windstärke 12 wackelten. Die anstehende Reise zu meinem Vater nach Amerika wurde spontan auf Eis gelegt und nur durch extrem unauffälliges Verhalten über mehrere Monate, konnte ich sie dann doch in letzter Minute antreten.

Gedankt habe ich es allen Beteiligten, indem ich direkt auf dem Ameriakflug im Flugzeugklo eine geraucht habe, erwischt wurde, Feueralarm im ganzen Flieger auslöste und dann unter den bösen Blicken der Crew und laufender Überwachung zu meinem Vater transportiert wurde. Nur meinen zarten 13 Jahren ist es anzurechnen, dass man mich nicht bei 10.000 Fuß aus dem Flieger warf. Mir machte man damit die größte Freude meines noch jungen Lebens, denn ich wurde, zur besseren Kontrolle des renitenten, nach Rauch stinkenden Kindes, in die erste Klasse umgesetzt.

In Amerika angekommen, erklärte mein Vater, dem natürlich brühwarm von der Raucherei erzählt worden war, es zu seiner Mission, mir das Laster postwendend wieder abzugewöhnen. In direktem, pädagogischem Konkurrenzkampf mit meiner Mutter wählte er den kapitalistisch-amerikanischen Weg: für jeden Tag, an dem ich nicht rauchte, bekam ich 5 Dollar. Bei ganzen 6 Wochen Ferien machte das totalen Sinn und ich mich daran Kaugummis, Mundwasser und Zigaretten zu besorgen, man war ja schließlich Profi. Ich rauchte einfach Kette, sobald mein Vater aus dem Haus war. 5 Wochen ließ ich mir, vermeintlich stolz auf den Sieg über meine Sucht, das Geld aushändigen. Alles lief bestens, bis zu dem Tag, als mein schlauer Vater mich testete, seine Abwesenheit nur antäuschte, das Auto ums Eck parkte und mich direkt, in flagranti inhalierend erwischte … Es folgten Rückzahlung der ergaunerten Dollar, Standtribunal, Schelte, diverse, höchst emotionale Vorträge und eine zigarettenlose Woche bis zur Heimreise.

Mein Vater raucht, im Gegensatz zu mir, übrigens heute noch.